Optische Eigenschaften (Astrofotografie)

In der Weitwinkel-Astrofotografie werden punktförmige Lichtquellen abgebildet. Diese unterziehen jedes Objektiv, welches für die Tageslicht-Fotografie entwickelt wurde, einem Härtetest. Ein für Astrofotografie optimiertes Objektiv sollte nicht nur die chromatische Aberration unter Kontrolle haben, sondern auch gut auf Koma korrigiert sein - und all das möglichst bei Offenblende (um möglichst viel Licht sammeln zu können) und bei Fokussierung auf unendlich.

Belichtungszeit-Vergleich
Abb. 1 - Die Milchstrasse am 9. August 2020, fotografiert mit einem Nikon Z 20 mm f/1.8 S und einer Nikon Z6 auf einer iOptron Skyguider Pro-Montierung. Die Belichtungszeit betrug 24 min bei f/2.8 und ISO 1600. Stack aus acht Aufnahmen à je 3 min Belichtungszeit. Die acht Einzelaufnahmen wurden mit der Sequator-Software gestackt und mit Adobe Photoshop CC weiter bearbeitet.

Einige der teuersten Nikon ED-Objektive liefern in der Astrofotografie nur mittelmässige Resultate. Zwar produzieren sie für einen grossen Blendenbereich ein scharfes Bild mit wenig chromatischer Aberration, doch Koma macht sich bei weit geöffneter Blende negativ bemerkbar: Sterne werden in den Bildecken zu UFO- oder Vogel-ähnlichen Objekten verformt. Ironischerweise sind einige der günstigeren (meist manuell fokussierten) Fremdobjektive, die für das Nikon F-Bajonett entwickelt wurden, besser auf Koma korrigiert als die modernen und teuren Objektive von Nikon: Objektive von Samyang (auch unter dem Namen Bower oder Rokinon bekannt) wie das Samyang 14mm f/2.8 IF ED UMC, das Samyang 24mm f/1.4 ED AS UMC oder das Samyang 14mm f/2.4 SP. Das ganze hat jedoch einen Haken: Die Qualitätskontrolle für diese Objektive lässt zu wünschen übrig. In den letzten Jahren haben deshalb viele Astrofotografen ihre Samyang-Objektive durch Sigma Art-Objektive ersetzt oder haben Sigma-Art- Objektive dazugekauft (zum Beispiel das Sigma 14mm f/1.8 DG HSM). Bei diesen Objektiven scheinen Qualitätskontrolle und Bildschärfe besser zu sein, auch wenn die Koma-Korrektur bei Offenblende noch immer nicht ganz befriedigend ist.

Bild der Milchstrasse
Abb. 2 - Stack aus zwanzig 10-Sekunden-Belichtungen, aufgenommen mit einer Nikon Z6 und dem Nikon Z 20mm f/1.8 S bei f/1.8 und ISO 6400. Die Einzelaufnahmen entstanden auf einem Foto-Stativ ohne Nachführung und wurden mit der Sequator-Software gestackt. Einige Wolken entschieden sich, einen Besuch abzustatten.

Zwar gibt es viele Nikon-Objektive, die in der Astrofotografie bei Blende f/5.6 oder f/4 gute Dienste leisten, doch nur wenige Objektive weisen auch bei f/2.8 eine akzeptable Sternabbildung in den Bildecken auf. Bei Blende f/2.8 wird es in der Astrofotografie aber erst so richtig interessant: Viele Astrofotografen setzen ihre Kamera auf ein Stativ und nehmen viele Fotos mit kurzer Belichtungszeit auf - so kurz, dass die Sterne noch punktförmig abgebildet werden, also noch nicht zu Strichspuren verzogen sind (aufgrund der Erdrotation).

Mit einem 20 mm-Objektiv und einer Vollformatkamera führen Belichtungszeiten von mehr als 10 Sekunden bereits zu verzogenen Sternen. Genauer: Betrachtet man die Aufnahmen bei 100% oder macht man Abzüge in Postergrösse, so sind die Sterne in der Nähe des Himmelsäquators bei 10 Sekunden Belichtungszeit bereits ein bisschen in die Länge gezogen, während Sterne in der Nähe der Himmelspole noch beinahe punktförmig erscheinen. Für kleine Abzüge oder HD- oder 4K-Timelapse-Videos können auch längere Belichtungszeiten akzeptiert werden. Je grösser die Brennweite des Objektivs, umso kürzer ist die maximal erlaubte Belichtungszeit. Teilt man die Zahl 200 durch die Brennweite des Objektivs, so erhält man einen guten Näherungswert für die maximal tolerierbare Belichtungszeit für punktförmige Sterne (200er-Faustregel).

Zum Beispiel erhält man mit einem 14 mm-Objektiv bei einer Belichtungszeit von 200/14=14 Sekunden noch beinahe punktförmige Sterne, wenn die Aufnahme bei 100% betrachtet wird. Um bei derart kurzen Belichtungszeiten auch schwächere Sterne sichtbar machen zu können, muss die Blende weit geöffnet und die ISO-Zahl auf einen hohen Wert eingestellt werden. Aufgrund des Bildrauschens bei hohen ISO-Werten werden viele Fotos mit kurzer Belichtungszeit aufgenommen und anschliessend mit einer Stacking-Software "gestackt" (gestapelt). Muss nun das Objektiv aufgrund zu starker Koma in den Bildecken auf Blende f/5.6 abgeblendet werden, so kommt nicht mehr ausreichend Licht auf den Sensor, um auch schwächere Objekte sichtbar machen zu können.

Vergleich verschiedener Belichtungszeiten
Abb. 3 - Der Stern Atair in der Nähe des Himmelsäquators, aufgenommen mit einer Nikon Z6 und dem Nikon Z 20mm f/1.8 S. Die Kamera befand sich auf einem Fotostativ (ohne Nachführung) und die Belichtungszeit wurde schrittweise von 30 s auf 10 s reduziert. Bei 10 s Belichtungszeit sind die Sterne fast punktförmig ("200er-Faustregel"). Je kürzer die Belichtungszeit, umso punktförmiger werden die Sterne.

Die eben beschriebene Technik ist eine von zwei Methoden, mit denen heute Astrofotografie betrieben wird. Bei der zweiten Methode wird die Kamera auf eine Montierung gesetzt, welche die Rotation der Erde ausgleicht und der scheinbaren Bewegung der Sterne folgt. Neben den schweren Teleskop-Montierungen der eingefleischten Astrofotografen haben sich in den letzten Jahren die viel kompakteren und erschwinglicheren Reisemontierungen ("Star Tracker") wie der iOptron Skyguider Pro oder der Skywatcher Star Adventurer stark verbreitet. Da mit einer solchen Reisemontierung die scheinbare Bewegung der Sterne ausgeglichen wird, können wesentlich längere Belichtungszeiten realisiert werden (meist ist die Präzision der Nachführung der limitierende Faktor). Um so viel Licht wie möglich zu sammeln, ist aber auch bei dieser Methode eine möglichst weit geöffnete Blende entscheidend.

Nikon Z 20mm f/1.8 S Bild
Abb. 4 - Der winterliche Nachthimmel (Grosser Hund, Orion & Stier). Stack aus zwanzig 10-Sekunden-Belichtungen mit dem Nikon Z 20 mm f/1.8 S bei f/2.8 und ISO 3200, gestackt mit der Sequator-Software und Photoshop. Nikon Z6 auf Stativ (nicht nachgeführt).

Das im Jahr 2007 eingeführte Nikon AF-S 14-24mm f/2.8G-Objektiv ist eines der besten Nikon-Objektive für die Astrofotografie. Bei 14 mm Brennweite kann es bei voll geöffneter Blende, also bei f/2.8, genutzt werden. Die Koma in den Bildecken ist bei dieser Blende sehr gering. Trotzdem blende ich das Objektiv oft auf f/3.5 oder f/4 ab, um die chromatische Aberration und Koma weiter zu reduzieren, wenn das Objektiv auf einer Reisemontierung zum Einsatz kommt. Bei längeren Brennweiten ist die optische Abbildung in der Astrofotografie nicht ganz so gut. Vor allem hellere Sterne an den Bildrändern und in den Bildecken werden zu auffälligen länglichen Objekten. So habe ich im Jahr 2019 eigens für die Astrofotografie ein Nikon AF-S 20 mm f/1.8G ED-Objektiv angeschafft. Leider weist das Objektiv bei Blende f/1.8 und f/2 ausgeprägte Koma auf, die aber durch Abblenden auf f/2.8 praktisch eliminiert werden kann. Das Objektiv ist bei dieser Blendenzahl dem Nikon 14-24 mm f/2.8G überlegen. Auf der Suche nach einem noch besseren Objektiv für den Nachthimmel habe ich das Nikon Z 20mm f/1.8 S-Objektiv dazugekauft und Vergleiche mit dem Nikon AF-S 20mm f/1.8G angestellt.

Das neue Nikon Z 20 mm f/1.8 S zeigt bei Blende f/1.8 leichte Spuren chromatischer Aberration, aber die Koma in den Bildecken ist erstaunlich gering. Die Bildqualität bei f/1.8 ist insgesamt sehr akzeptabel - deutlich besser als mit dem älteren G-Objektiv. In kleinen Bildabzügen wird die Koma nur schwer erkennbar sein. Bei grossen Abzügen in Postergrösse wird die Koma sichtbar, aber sie ist nicht vergleichbar mit den Vögeln und UFOs einiger älterer Objektive. Abblenden auf f/2 reduziert die chromatische Aberration ein bisschen, während die Koma auf demselben moderaten Niveau bleibt. Bei f/2.8 sind die chromatische Aberration und die Koma auf einem exzellenten Niveau. Das Nikon Z 20 mm f/1.8 S setzt hier neue Massstäbe in der Astrofotografie. Untenstehende Links führen zu Astrofotografie-Testaufnahmen, die mit dem Nikon Z 20mm f/1.8 S und dem Nikon AF-S 20mm f/1.8G aufgenommen wurden und zur Analyse von chromatischer Aberration und Koma genutzt werden können (Aufnahmen in voller Auflösung, 25 MB pro Bild; die Bilder werden in einem neuen Fenster geöffnet):

Details zu den Testaufnahmen:

Da die Blende für die Testaufnahmen unterschiedlich weit geöffnet war, die Belichtungszeit jedoch gleich lang gewählt wurde (je drei Minuten), mussten die Helligkeitsunterschiede nachträglich in Adobe Photoshop ausgeglichen werden (-1.3 EV für das f/1.8-Bild, -1 EV für das f/2-Bild und 0 EV für das f/2.8-Bild).

Abb. 5 vergleicht die Abbildungsleistung der beiden Objektive in den Bildecken, während Abb. 6 die Abbildungsleistung der Objektive in der Bildmitte gegenüberstellt. Ein Klick auf die Abbildungen führt zu JavaScript-Animationen (JavaScript muss im Browser aktiviert sein).

Vergleich der Abbildungsleistung in den Bildecken
Abb. 5 - Abbildungsleistung in den Bildecken. Klicken Sie auf das Bild, um die Animation zu öffnen (JavaScript erforderlich).
Vergleich der Abbildungsleistung in der Bildmitte
Abb. 6 - Abbildungsleistung in der Bilmitte. Klicken Sie auf das Bild, um die Animation zu öffnen (JavaScript erforderlich).

Das Nikon Z 20 mm f/1.8 S-Objektiv ist dem Nikon AF-S 20 mm f/1.8G bei diesem Vergleich in den Bildecken deutlich überlegen (mit grossem Vorsprung). In der Bildmitte sind die Unterschiede eher gering.

Externe Reviews zum Nikon Z 20mm f/1.8 S:

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Teil I: Überblick und Spezifikationen